Pflanzentraining: Low Stress vs. High Stress

Pflanzentraining: Low Stress vs. High Stress

Nicht nur der Mensch muss trainieren, um groß und stark zu werden. Auch Pflanzen können trainieren, um größer und mächtiger zu werden. Allerdings brauchen Pflanzen bei ihrem Training ein wenig Unterstützung von außen. Wie ein Personal Coach ist es nun die Aufgabe des Growers, die Pflanzen im wahrsten Sinne “in Form zu bringen”.

In diesem Artikel gebe ich dir einen Überblick über die gängigsten Pflanzentrainingsmethoden, die Unterschiede zwischen Low- und Highstress-Training, was sie bewirken und wann man sie einsetzen kann.

Was ist Pflanzentraining?

Mit dem Wort “Pflanzentraining” ist im weitesten Sinne gemeint, die Wuchsform der Pflanze zu verändern oder viel mehr zu lenken. Cannabis ist ein sehr robustes Gewächs und lässt sich daher sehr gut trainieren. Denn eines sollte man stets im Hinterkopf behalten: das Training schadet einer Pflanze mehr oder weniger, doch aus diesen Schäden können gewünschte Wuchsformen oder Ertragssteigerungen erzielt werden. Wie auch beim “echten” Training werden winzige Verletzungen durch einen Heilungsprozess “repariert” und die verheilte Stelle wird dadurch dicker und stabiler (gleiches passiert im menschlichen Muskel).

Nun soll das aber nicht bedeuten, dass man seine Pflanze wahllos verletzen soll und danach bessere Ergebnisse erwarten kann. Das Training muss gezielt und zu bestimmten Phasen durchgeführt werden, da man sonst der Pflanze wirklich schadet.

Zwei Varianten des Trainings

Ganz grob kann man alle verschiedenen Trainingstechniken in zwei Kategorien einordnen: Low Stress und High Stress. Wie das Wort bereits aussagt, wird die Pflanze bewusst gestresst, um eine Reaktion, einen Heilungsprozess einzuleiten. Low Stress(niedrig/wenig) bedeutet, dass das Pflanzengewebe zwar beansprucht aber nicht wirklich verletzt wird. High Stress(hoch/stark) hingegen schließt Methoden ein, bei denen die Pflanze verletzt wird bzw. Teile der Pflanze entfernt werden.

Grundsätzlich werden beide Methoden jedoch nur in der Vegetationsphase angewendet, da das Stressen einer Pflanze in der Blütephase die Blütenbildung und die allgemeine Gesundheit der Pflanze stark beeinträchtigen und somit den Ertrag und die Endqualität deutlich verschlechtern kann.

Low Stress

Wenn von Low-Stress-Training die Rede ist, handelt es sich dabei bspw. um das Herunterbinden von Seitentrieben mit Gartendraht/Seilen oder dem vorsichtigen Biegen einzelner Pflanzenteile – man lenkt also das Wachstum der Triebe in eine von der Pflanze nicht angedachte Richtung. Durch dieses eher sanfte Training wird das Pflanzengewebe nur im Inneren beschädigt: ein Trieb, den man seitlich herunterbiegt, wird sich erst ab der Stelle, an der die Befestigung zum Herunterbinden angebracht ist, wieder nach oben recken. Somit zieht man eine Pflanze in die Breite, was auch die Fläche vergrößert, die von Sonne oder Kunstlicht bestrahlt werden kann und am Ende die begehrten Blüten bildet.

Auch der sogenannte “ScrOG” oder Screen-Of-Green (wortl. Fläche aus Grün) zählt zu den Low-Stress-Trainingsmethoden. Ähnlich wie bei dem Herunterbinden werden alle Triebe auf eine Höhe gebracht, um eine breite Fläche zu erzeugen. Dies geschieht bei Scrogging durch ein Netz, welches über den Pflanzen gespannt wird und in welches die Triebe der Pflanze “eingeflochten” werden. Erst wenn das gesamte Netz von einem grünen Teppich aus Pflanzenmaterial bedeckt ist, geht man in die Blütephase über.

Von Low-Stress-Training erholt sich das Wachstum relativ schnell und teilweise wachsen heruntergebogene Triebe bereits nach nur 24 Stunden wieder in die Vertikale.

High Stress

Beim High-Stress-Training geht man deutlich rabiater vor. Eine häufig angewandte Methode ist das sogenannte “Topping” bei dem man einen heranwachsenden Trieb abschneidet. Was dann passiert ist Folgendes: die Pflanze reagiert auf das Abschneiden, in dem sie das vertikale Wachstum nach oben stoppt und ihre Energie auf die Seitentriebe umleitet. Bei gut durchgeführtem Topping entstehen unterhalb des Schnittes oft zwei und manchmal sogar bis zu vier neue Triebe, welche anschließend ihr Wachstum wieder Richtung Lichtquelle, also nach oben fortsetzen. Somit kann man einerseits erreichen, dass eine Pflanze buschiger wächst und zeitgleich mehr Triebe schaffen, die zum Ende hin potenziell mehr Ertrag bringen werden.

Während sich eine Pflanze relativ schnell von Low-Stress-Training erholt, kann die Regenerationsphase bei High-Stress-Training deutlich höher sein. Vor allem dann, wenn zu viel auf einmal von der Pflanze entfernt wurde. In solchen Fällen benötigt sie teilweise mehrere Tage oder über eine Woche, um diesen Stress zu verarbeiten. In manchen Fällen reagiert die Pflanze auch mit einem kompletten Wachstumsstopp, was schnell zu Frustration führen kann. Aus diesem Grund sollte man High-Stress-Training nur dann anwenden, wenn die Pflanze sehr gesund ist und man Geduld für den Heilungsprozess mitbringt.

Autoflower und Training

Häufig steht die Frage im Raum: “Darf man Automatic Sorten auch trainieren?” Der Grund dieser Frage ist die Tatsache, dass Automatic Strains einen regelrechten Spurt in ihrer Entwicklungsphase hinlegen – einem Sprinter ein Bein zu stellen klingt nicht sonderlich effektiv. Aber dennoch ist ein Training nicht ausgeschlossen: Low-Stress-Training ist absolut kein Problem für automatische Strains. Da bei diesen Methoden kein destruktiver Eingriff in das Wachstum vorgenommen wird, sondern nur eine “Richtungsweisung”, können auch diese Sorten von einem Training profitieren.

High-Stress-Training sollte allerdings vermieden werden. Wie oben erwähnt, haben Automatics die Veranlagung, ihr Wachstum und die anschließende Blüte so schnell wie möglich abzuschließen. In diesem Bestreben benötigt die Pflanze alles an Kraft und Energie, die sie bekommen kann. Entfernt man Teile wie Triebe und große Blätter, welche diese benötigte Energie erzeugen und weiterleiten, so ist das Ergebnis oft ein gestörtes Wachstum und eine unbefriedigende Ernte.

Und wie geht’s weiter?

Nun, da die Pflanzen schon einiges an Wachstum und Blättermasse hervorgebracht haben, zeichnen sich oftmals Unterschiede zwischen den einzelnen Exemplaren ab: eine wächst größer, die andere buschiger und die nächste hat plötzlich eine leicht lilane Färbung… Aber es waren doch alle Samen aus der gleichen Verpackung? Wieso das so ist und was es letzten Endes für den Home-Grower bedeutet, erkläre ich im nächsten Artikel.

Geschrieben von Mr. Haze Amaze

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