Phänotypen: Gleiche Samen, unterschiedliche Pflanzen

Phänotypen: Gleiche Samen, unterschiedliche Pflanzen

Da kauft man sich mehrere Samen der gleichen Sorte und nach einigen Wochen stehen plötzlich mehrere vollkommen unterschiedliche Pflanzen im Zelt. Eine bildet Unmengen an saftig grünen Blättern, eine andere zeigt violette und rötliche Verfärbungen an den Trieben und am Hauptstamm und eine weitere bildet viel dichtere Blüten als alle anderen. Woran liegt das? Man hatte sich doch extra für die gleiche Sorte entschieden, um eben auch (fast) identische Pflanzen daraus zu erhalten.

Doch, dass aus allen Samen die gleiche Pflanze wächst, ist eher selten und hauptsächlich nur bei gut stabilisierten und hochwertigen Genetiken der Fall. Aber was genau das nun bedeutet, ob es für den Homegrow positiv oder negativ ist und wie man diese Diversität der Pflanzen für sich nutzen kann, erläutere ich in dem folgenden Artikel.

Unterschiedliche Phänotypen

Wächst eine Pflanzen-Sorte in unterschiedlichen Formen oder Farben, spricht man von Phänotypen – und das natürlich nicht nur bei Cannabis. Das bedeutet, dass eine Sorte verschiedene Merkmale ausbilden kann, die von der Beschreibung der Seedbank leichter oder stärker abweichen können: beispielsweise ein buschiges statt längliches Wachstum, Verfärbungen von Stielen, Blättern und Blüten, aber natürlich auch den Trichom-Gehalt.

Der Grund für diese unterschiedlichen Merkmale ist die Genetik der Pflanzen, die bereits im Samenkorn enthalten ist. Und auch bei Gewächsen jeder Art und Gattung ist es das Gleiche wie beim Menschen: zweimal exakt dasselbe Erbgut ist eher selten (Zwillinge oder Mehrlinge). Bei Menschen ist das ganze natürlich etwas komplexer, doch der Grundbaustein ist bei Flora und Fauna der gleiche.

Gibt es eine Abweichung im DNA-Strang, verändern sich ein oder mehrere Merkmale des Erbgut-Trägers und die Wahrscheinlichkeit keiner signifikanten Abweichung ist gleich null. Selbst wenn das Erbgut identisch ist, müssten alle Pflanzen in der exakt gleichen Umgebung aufwachsen, denn auch Licht, Temperatur, Nährstoffversorgung und viele weitere Faktoren spielen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung unterschiedlicher Phänotypen. Somit ist es vollkommen normal, dass Pflanzen, die aus den Samen einer bestimmten Sorte gezüchtet werden, so gut wie niemals identisch sein werden.

Und das ist auch gut so. Denn genau diese Diversität braucht es, um neue Sorten zu züchten und zu stabilisieren. Diese Selektierung findet bereits seit der “Erfindung” der Landwirtschaft statt und wurde genutzt, um ausschließlich die besten Pflanzen eines Anbaus herauszusuchen, ihr Saatgut zu sammeln und daraus neue ertragreichere Pflanzen zu züchten. Anschließend fand wieder eine Selektierung statt und somit konnte sich das Potenzial vieler Pflanzen enorm steigern. Die Geschichte der Selektierung von Genetiken ist lang und findet daher leider keinen Platz in diesem Artikel. Doch eine Art der Selektierung wollen wir uns dennoch etwas genauer ansehen, da sie auch für den Home-Grow von Nutzen sein kann – Stichwort: Stecklinge.

Was bedeuten unterschiedliche Pflanzen für den HomeGrow?

Je nachdem wie stark die Variationen ausfallen, können unterschiedliche Phänotypen eine kleinere oder größere Herausforderung insbesondere für Anfänger unter den Growern darstellen – verschiedene Pflanzen, verschiedene Bedürfnisse. In der Regel hängt die Abweichung untereinander von der Stabilität der Sorte ab.

Namhafte und renommierte Breeder und Seedbanks vertreiben ausschließlich stabile Sorten. Das bedeutet, dass der Strain bereits einige Selektierungszyklen durchwandert hat, um möglichst nur die Merkmale auszubilden, die sich der Breeder wünscht. Kauft man sein Saatgut also von einem vertrauenswürdigen und erfahrenen Breeder/Seedbank, so sollten die Unterschiede innerhalb des Grows bei ein und derselben Sorte eher gering ausfallen.

Doch was ist nun zu tun, wenn man die Abweichungen mittel bis stark sind? Im Grunde sollte man einfach so weiter verfahren, wie geplant und ausschließlich auf Anzeichen der Pflanze reagieren. Sollte beispielsweise einer der Phänotypen schlechter auf Dünger reagieren, ist es ratsam, die Düngermenge nur für diese eine Pflanze zu reduzieren.

Verfärben sich mit fortschreitendem Alter Blätter oder Blüten lila oder rötlich, so muss das nicht zwangsläufig ein Anzeichen für Mangelerscheinungen sein. Oft ist es einfach ein höherer Anthocyane-Anteil in eben diesem Phänotypen. Anthocyane ist ein pflanzlicher Farbstoff (Flavonoid), der Rot-, Lila- und Blau-Töne in Pflanzen erzeugt - beste Beispiele: Aubergine oder Blaubeeren.

Natürlich fragt man sich in diesem Zusammenhang auch: kann man diese unterschiedlichen Phänotypen auch für sich nutzen? Die Antwort ist ein eindeutiges Ja, mit dem Hinweis, dass es allerdings Geduld, Können und weiteres Equipment benötigt.

Selektierung im eigenen Grow

Verschiedene Phänotypen im Anbau sind kein Grund zur Sorge, sondern bieten eine großartige Chance. Statt sich über die Unterschiede zu ärgern, kann man diese gezielt nutzen, um die eigenen Lieblings-Pflanzen auszuwählen und zu vermehren.

Hier kommt die Stecklingszucht ins Spiel. Der große Vorteil: Stecklinge sind genetisch identisch mit der Pflanze, von der sie genommen wurden – aus diesem Grund werden Stecklinge oft auch als Klone bezeichnet. Sie weichen in ihren Eigenschaften kaum voneinander ab und werden nur noch durch äußere Einflüsse beeinträchtigt.

Man kann bereits in der vegetativen Phase auf Merkmale wie Wuchskraft, Triebstruktur und Widerstandsfähigkeit, achten, denn diese Eigenschaften können dir erste Hinweise auf die spätere Blütenqualität liefern. Auch wenn du die Stecklinge bereits in der Vegetationsphase schneiden musst, lassen sich anhand dieser Kriterien die besten Kandidaten für die spätere Blüte erkennen.

Sobald die besten Phänotypen identifiziert sind, kannst du diese als Mutterpflanzen verwenden und ihre positiven Eigenschaften über Stecklinge erhalten. Durch kontinuierliche Beobachtung und gezielte Selektion kannst du über mehrere Zyklen hinweg stabile Pflanzen entwickeln, die deinen Erwartungen entsprechen – und so langfristig eine bestimmte Lieblingssorte erhalten und optimieren.

Die genauen Prozesse der Stecklingszucht sind wieder ein Thema für sich und werden in einem der kommenden Artikel behandelt.

Geschrieben von Mr. Haze Amaze

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